TOCHTERROLLE «Ich bin der bessere Partner»

Und Papa ist ein Versager

Das klingt verrückt, kommt aber relativ häufig vor – die Tochter (und auch Söhne) übernehmen den Platz des Vaters. Dies passiert, wenn der Vater entweder abwesend ist und/oder ein «schwacher» Partner, d.h. die Mama nicht zufrieden stellt, sie nicht «glücklich macht». Meist hat er auch gar keine Chance dazu, da die Mama emotional woanders ist *. Alles findet seinen passenden Gegenpart.  

Werden die Eltern vom Kind als unvollkommenes Paar wahrgenommen, übernimmt es oft entweder die Mittlerrolle oder auch eine Partnerrolle.  Entscheidet sich die Tochter unbewusst, die Rolle des Vaters einzunehmen, hält sie ihn teilweise für schwach. Sie glaubt ja, dass er nicht fähig ist, der Mama ein guter Partner zu sein. Für die Tochter ist es eine willkommene Möglichkeit, sich unersetzlich, sich «Liebkind» zu machen bei Mama. Sie glaubt dann: «Niemand versteht dich besser als ich, niemand unterstützt dich besser als ich, Mama.» Hiervon erhofft sie sich Liebe und Anerkennung, überfordert sich jedoch komplett, denn niemand kann jemand anderen ersetzen.

Außer dass sie sich selbst überfordert, wird sich die Tochter auch unbewusst dafür bestrafen, dass sie sich über die Eltern erhebt. Es verletzt nämlich eine naturgegebene, familiäre Ordnung, nach der die Eltern «über» dem Kind stehen. Ihre Seele kennt diese Ordnung **

Mutter, Vater, Kind - alle machen mit

Eltern tragen auch aktiv dazu bei, dass sich das Kind auf die Partnerebene erhebt ***. Gerade wenn das Elternpaar sich nicht viel zu sagen hat, als Paar kaum existiert, wird die Aufmerksamkeit auf das Kind konzentriert und auch die Liebe, die eigentlich dem Partner vorbehalten ist, auf es übertragen. Das ist schlicht und ergreifend Missbrauch, auch wenn es unbewusst geschieht.

Sehr häufig bekommt das Kind Aufgaben bzw. zu viel Verantwortung übergestülpt oder wird in Geheimnisse eingeweiht, die es nichts angehen. Für das Wissen dieser intimen Dinge über die Eltern wird es sich schämen.  Und sein Bild vom anderen Geschlecht und auch vom eigenen wird verzerrt. 

Wenn das Kind zum Ersatzpartner der Mutter wird, geraten Vater und Kind in Konflikt. Mit dem Sohn gerät er in Konkurrenz als Familienoberhaupt. Der Vater zieht sich zurück, oft sucht er sich ein anderes Kind als Ersatzpartner. Er scheint dem zuzustimmen. Das Kind könnte nicht an die Stelle rücken, wenn der Vater stark ist und willig, das Oberhaupt zu sein. 

Die Rolle der "Erwachsenen" wird in allen weiteren Beziehungen gespielt

Vielleicht hast du das in einigen Beziehungen schon beobachtet oder selbst erfahren: Anstatt dass beide Partner auf Augenhöhe miteinander agieren, wird von der Frau die Mutterrolle gegenüber dem Partner ausgeübt, oder auch mit anderen Rollen, mit denen sie sich in  ihrer Herkunftsfamilie identifiziert, vermischt. Z.B. wird der eigene Partner nicht für voll genommen (sie hat ja bereits einen, nämlich Mama), und/oder es wird erwartet, dass der Partner Aufgaben der Eltern übernimmt – wie Loben, Dankbarkeit, Anerkennung zollen etc. Oft haben aber solche Töchter gar keine festen Beziehungen, da der Platz ja besetzt ist. 

Eine Frau in ihrer Rolle als «besserer Partner der Mutter» hat es schwer, andere als ebenbürtig wahrzunehmen. Sie ist es ja gewohnt, sich über sie zu erheben. Gleichzeitig fühlt sie sich minderwertig, wenn sie diese «Erwachsenenrolle» nicht ausüben kann. Anerkennung erhält sie ja nur, so glaubt sie, indem sie «sich kümmert», die starke Schulter bietet.

Die Befreiung aus der Rolle

Welche Lösung gibt es hier? Klar muss die Tochter erst einmal anerkennen. Das braucht Mut. Die Trennung von solchen eingefleischten Rollen ist oft sehr schmerzhaft.  Denn das Selbstbild, mit dem sie vollkommen identifiziert ist, stellt sich als Irrtum heraus. In diesem Bild sieht sich die Tochter als Retterin – erst in der Beziehung zur Mutter, dann in allen folgenden Beziehungen. Das gibt viel Selbstwert und einen gewissen Halt. Der ist jedoch trügerisch, denn erstens ist er Illusion und zweitens bezieht er sich auf etwas, das sich außerhalb der Tochter befindet.  

All das fällt in sich zusammen, wenn der Tochter klar wird, dass das alles nur Einbildung war und: Von sich selbst hat sie überhaupt keine Ahnung.

Wer bin ich überhaupt, wenn ich nicht diese Retterin bin?

Und hier kommen wir wieder zur eigentlichen Ursache der Rolle: sie hat sie als kleines Kind übernommen, um überhaupt wahrgenommen zu werden, um Anerkennung und Zustimmung von Mutter zu erhalten. Im Coaching werden wir uns in jedem Fall diesem kleinen Mädchen widmen, ihm endlich die Liebe und Zwendung schenken lassen, die es braucht und verdient. Dazu brauchen wir Mama nicht mehr. Das wird ab sofort die erwachsene Frau übernehmen, die endlich ihr inneres Kind integrieren kann. Glaub mir, das ist tiefste Heilung!

Hast du Fragen zu dem Thema oder Anmerkungen, dann schreib es mir gern in den Kommentaren. 

Alles kann natürlich auch auf Söhne übertragen werden , sowohl gegenüber der Mutter als auch gegenüber dem Vater. Die Rolle der «besseren Partnerin des Vaters» beschreibe ich gesondert

* «Emotional nicht anwesend» sind oft Menschen, die z.B. um  nahestehende Angehörige, die sie sehr früh verloren haben, trauern. Oder sie vertreten Familienmitglieder, die innerhalb der HerkunftsFamilie ausgegrenzt werden – dann sind sie so ähnlich wie fremdbesetzt. u.v.m.

** mehr dazu von Bert Hellinger über das Familienstellen. Zu dieser Ordnung gehört, dass derjenige, der zuerst da ist/war, über dem steht, der/die nach ihm kommt. Das gilt für Eltern & Kinder, für Geschwister, 1. und 2. Ehepartner usw.

*** Wenn ein Kind in die Elternebene geht, die Rolle eines Elternteils übernimmt, nennt man das in der Psychologie «Parentifizierung»

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